Fragestunde mit Jean-Michel
Q&A auf Facebook
Am Freitag, den 13.12. hat Jean-Michel auf seiner Facebookseite eine Stunde lang Fragen der Fans beantwortet, die diese während der Session aber auch schon vorab einsenden konnten. Hintergrund war wohl die teilweise heftige Kritik an der "Eon"-App und dem gerade veröffentlichten Boxset.
Zu Beginn stellte Jean-Michel fest, dass es hierzu sehr viele negative Kommentare gegeben habe. Wann immer man etwas veröffentliche, gebe es "Hater", sagte er. Das sei auch schon so gewesen, als es noch keinen Strom gegeben habe und dies berühre ihn nicht weiter. Die von vielen Fans gestellten Fragen wolle er aber beantworten.
Zunächst erläuterte er kurz noch einmal das Konzept hinter der App, die ein Album mit einem Anfang aber ohne fest definiertes Ende sei. Die wichtigste Frage war sicherlich, wann die App als Android-Version erhältlich sei. Dies werde wahrscheinlich im März der Fall sein, sagte Jarre. Das habe auch nichts damit zu tun, dass man die finanzstärkeren Apple-Kunden bevorzuge, sondern habe technische Gründe. Man müsse bei einer solchen App mit einer Plattform anfangen und die Programmierung in Apples iOS sei einfacher gewesen, für Android gestalte sich das Ganze schwieriger.
Zu dem vielfach kritisierten hohen Preis für das "Snapshots From Eon"-Boxset sagte Jean-Michel, dass die Eon-App die "offizielle" Version von Eon sei. Deren Preis von 9,99 Euro sei angemessen. Die Box sei eher als ein Kunstprojekt gedacht, ähnlich einer Lithographie und von daher nicht für eine weitere Verbreitung vorgesehen. Andere Formate werde es daher davon nicht geben.
Zur App selbst hätten viele Leute gefragt, ob es künftig möglich sein werde, die Musik zu remixen oder zu steuern. Seine Idee der App sei aber genau entgegengesetzt. Bei einem "normalen" Album auf CD oder einem Buch könne man Stücke oder Kapitel, die einem nicht gefallen auch nicht remixen oder neu schreiben. Man könne die App neu starten, so dass sie sich dann musikalisch in eine andere Richtung bewegt. Mehr Interaktion sei nicht geplant. Eon sei sein festes künstlerisches Konzept. Künftig solle es eine Aufnahmefunktion für eine Minute der Musik geben, aber nicht die, die man gerade gehört habe, sondern für die Minute, die als nächstes kommt. Das sei wie im echten Leben: Man wisse nicht, was einen erwarte und jeder Moment sei einzigartig und nicht wiederholbar.
Die Eon-App sei auch keine KI (künstliche Intelligenz), sagte Jean-Michel. Der gesamte musikalische Inhalt sei von einem Menschen, nämlich ihm, gemacht worden. Dabei handele es sich auch, bis auf wenige Ausnahmen, um komplett neu komponierte Musik. Derzeit arbeite er mit den Sony CSL-Labors, die auch an Eon beteiligt waren, an einem System namens "Flow Machines" - einem KI-unterstützten Kompositionssystem. Dieses soll bei einem Stück der "Electronica 3" zum Einsatz kommen. Von einer KI erwarte er, dass sie eigene musikalische Elemente kreiere, sagte Jean-Michel. Dies sei bei der Eon-App aber nicht der Fall.
Zu Electronica 3 sagte er, dass er vorab Stücke als Singles veröffentlichen wolle, um mehr Aufmerksamkeit und Respekt für die Künstler zu generieren, mit denen er zusammenarbeitet. Ihn habe gestört, dass sich bei Electronica 1 & 2 viele Leute gar nicht alle Stücke angehört hätten. Das Album selbst soll dann erst später, voraussichtlich 2021, erscheinen. Zum Konzept von Electronica 3 sagte er, dass er sich nicht wiederholen wolle und andere Arten von Beziehungen erkunden wolle. So kämen diesmal vielleicht mehr Künstler aus Asien, mehr weibliche Künstler oder auch Musiker, die noch ziemlich am Anfang ihrer Karriere stehen, zum Zug.
Zu seiner Autobiographie sagte er, dass voraussichtlich im September/Oktober 2020 Versionen auf Englisch, Deutsch und Spanisch veröffentlicht würden. Für die englische Übersetzung komme der Literaturübersetzer und Schriftsteller Frank Wynne zum Einsatz. Später könne es möglicherweise noch Versionen auf Polnisch, Portugiesisch, Chinesisch und Japanisch geben.
Er plane zudem eine Buchtour durch Europa, vielleicht in Verbindung mit einem Live-Album. Eventuell werde es eine spezielle Konzertserie in Verbindung mit der Eon-App geben. Er arbeite derzeit an einem speziellen Projekt, um eine Live-Version von Eon zu realisieren, so Jarre. Dies könne im Herbst 2020 der Fall sein. Derzeit suche er noch nach den richtigen Interfaces für den Live-Einsatz.
Weiter bestätigte Jean-Michel, dass er Anfang 2020 an der UNESCO-Welterbestätte al-'Ula in Saudi-Arabien auftreten werde.
Zum Vorschlag eines Fans, ein Konzert mit Kopfhörern für das Publikum zu geben, sagte Jarre, dass er diese Idee schon seit den 80er Jahren im Kopf habe. Bisher sei dies aber technisch nicht realisierbar gewesen. Mit der 5G-Technologie werde es aber künftig möglich sein, dass die Zuschauer über ihr Smartphone ein Konzert per Kopfhörer genießen könnten. Einige DJs hätten so etwas schon versucht, aber nur mit kleinen Zuschauerzahlen. Für ihn wäre aber ein größeres Publikum als nur mit 50 Leuten interessant. Er arbeite derzeit mit einer Firma diesbezüglich zusammen, so dass es 2020 oder 2021 dazu kommen könnte.
Eine häufig gestellte Frage ist die nach einer Wiederveröffentlichung seiner alten Konzertvideos. Jean-Michel sagte dazu, dass dies schwierig sei, da z.B. das Houston-Konzert auf Betamax gefilmt worden sei. Dies könne nicht auf 4K-BluRay konvertiert werden, dafür sei die Qualität des Ausgangsmaterials zu schlecht. Möglich sei aber in naher Zukunft eine Art "Best Of" der alten Konzerte und dazu vielleicht unveröffentlichte Filme und Dokus.
Auf die Frage nach seinen alten Instrumenten (z.B. das Circular Keyboard), sagte Jean-Michel, dass dies keine Synthesizer, sondern nur Controller gewesen seien. Für ihn sei es dabei interessant, möglichst immer die neueste Technik zu verwenden, wie z.B. der Leuchttisch bei der Electronica-Tour oder die Interaktion mit Lasern, Licht, Videos. Daher ist mit der Rückkehr der alten Geräte eher nicht zu rechnen.
Auf die Frage nach der Veröffentlichung von bislang unveröffentlichter Musik wie z.B. Palawan oder seine Musik für die HSBC-Bank sagte Jarre, dass man nicht alles veröffentlichen müsse und es dafür derzeit keine Pläne gebe.
Nach Sondtracks gefragt, sagte Jean-Michel, dass er gerne einen Soundtrack machen würde, allerdings müsste es dann das richtige Projekt und der richtige Regisseur sein.
Plänen für weitere Album-Fortsetzungen (z.B. ein neues Magnetic Fields) erteilte er eine klare Absage. Für Oxygene und Equinoxe habe es Anlässe gegeben, aber auf Dauer würde dies dann auch langweilig.
Derzeit arbeite er gerade an Musik für eine Ausstellung, die im Jahr 2021 in Brasilien stattfinden soll, verriet Jean-Michel noch. Dabei geht es um Bilder des brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado, der dieses Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt. Es dürfe noch nicht viel dazu sagen, aber er hoffe, dass dies ein Anlass sein könne, dann auch ein Konzert in Brasilien zu geben. An sein Konzert in Chile habe er sehr gute Erinnerungen und würde dorthin auch gerne wieder kommen. Auch nach Argentinien würde er gerne wieder kommen, dann aber mit einem anderen Konzertveranstalter, denn der Ablauf beim letzten Mal sei ein Albtraum gewesen.
Auf die Frage, ob er gerne einen eigenen Synthesizer entwerfen würde, antwortete Jarre, dass er dies in der Tat gerne tun würde. Hierzu habe er mit den Firmen Arturia (Hardware) und Bleass (Software) auch bereits gesprochen.
Abschließend bedankte sich Jean-Michel bei seinen Fans, dass sie bei der Fragestunde dabei waren und auch für ihre Treue und wünschte allen schöne Weihnachten und alles Gute für 2020.
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