WTTOS - Screening in Berlin

Bericht und Bilder vom Event in Berlin

Am Freitag, 10.09.2021, ist das Album „Welcome To The Other Side“ veröffentlicht worden. Es ist erhältlich als Vinyl-Platte sowie als Set aus CD und BluRay. Beiden Formaten liegt jeweils noch ein Download-Code für eine „binaurale“ Version bei, deren räumlicher Klangeffekt nur beim Anhören per Kopfhörer zur Wirkung kommt.

Anlässlich der Veröffentlichung kam Jean-Michel nach Berlin. Dort gab es in einem Kino eine Vorführung der BluRay auf großer Leinwand für Presse und einige Fans, die ein Ticket über ein Gewinnspiel ergattern konnten. Leider haben einige Fans nicht auf die Gewinnbenachrichtigung reagiert bzw. sind nicht zur Vorführung gekommen.

In der Einganghalle stand das Coverbild des neuen Albums auf eine Leinwand gezogen und aus den Lautsprechern klang zur Einstimmung schon etwas Jarre-Musik. Eine weitere Leinwand mit dem Album-Motiv stand auf der Bühne des überraschend kleinen Kinosaales.

Zunächst gab es ein etwa 15minütiges Gespräch zwischen Jean-Michel und Louis Cacciuttolo, dem CEO von VRrOOm, der Firma, die für die Produktion des VR-Konzertes verantwortlich war. Cacciuttolo sagte, dass es eine große Ehre gewesen sei, Jean-Michel bei der Realisierung des Projekts zu helfen. Vor ziemlich genau einem Jahr hätten sie mit dem Projekt begonnen, im Oktober sei es implementiert worden und im Dezember dann live gegangen.
Jean-Michel sagte, die Idee sei gewesen, etwas in der Pandemie zu tun und die Menschen miteinander zu verbinden. Ein normales Konzert sei wegen des Lockdowns nicht möglich gewesen und so sei die Idee entstanden, auf diese Art und Weise ein Zeichen der Hoffnung für die Zukunft zu setzen. Die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, habe das Ganze sehr stark unterstützt. So sei auch die Idee entstanden, das Ganze mit Notre Dame zu verbinden. Die nach der Brandkatastrophe schwer beschädigte Kathedrale sei ein nationales Symbol und so schien es nur angemessen, durch die Verbindung von beidem in einer Silvesterfeier ein Licht am Ende des Tunnels zu signalisieren, das die Menschen für sich selbst, aber auch für die Restaurierung von Notre Dame, erhofften. Und so entstand die Idee, ein Konzert in der Kathedrale zu geben, deren Inneres auch jetzt noch nicht wieder betreten werden kann. So habe er VR-Technik genutzt, um dieses Konzert zu realisieren.

Cacciuttolo fragte, was für Jean-Michel, als Musiker, der seine Musik schon in allen möglichen Formaten produziert habe, der Unterschied bei der Verwendung von VR-Technologie gegenüber einem „realen“ Konzert gewesen sei. Jean-Michel sagte, dass es einerseits ganz anders, andererseits aber auch sehr ähnlich sei. Schon nach kurzer Zeit habe er das Gefühl gehabt, auf einer echten Bühne vor einem echten Publikum zu stehen.

Cacciuttolo sagte, dass das Event auch enorme Zuschauerzahlen generiert habe. Zwei Tage nach der Show seien 75 Millionen Zuschauer gezählt worden. Dies bezog sich allerdings nicht nur auf den VR-Bereich, sondern auch auf Fernsehen und Social Media in China, Asien, Europa, USA und auch im Radio. Das Konzert sei also sehr stark verbreitet worden. Jarres Abrufzahlen seien zudem höher als die der zehn nachfolgenden Künstler in den VR-Top Ten zusammen. Das hatte Jean-Michel bis dahin noch nicht gewusst, wie er sagte. Damit habe Jean-Michel einen weiteren Weltrekord gebrochen, sagte Cacciuttolo und fragte wie Jarre die Zukunft von VR sehe und ob er weitere VR-Projekte machen wolle.
Jean-Michel sagte, dass VR eine neue künstlerische Ausdrucksform sei, so wie es das Kino am Ende des 19. Jahrhunderts im Vergleich zum Theater gewesen sei. Viele Leute hätten damals gesagt, ein richtiger Schauspieler müsse auf einer richtigen Bühne vor einem richtigen Publikum stehen. Dennoch sei das Kino die Hauptkunstform der Schauspielerei geworden. Ähnlich könne es in Zukunft mit VR sein. Dabei sei das VR-Konzept eigentlich uralt. Das erste VR-Objekt sei das Buch gewesen, mit dem man in Gedanken in eine imaginäre Welt reisen konnte. Mit der heutigen VR-Technik ginge man nun eben fast physisch in diese imaginäre Welt hinein. Durch das Fehlen der Schwerkraft in der VR-Welt könne man dort fliegen und andere Dinge tun, die man im normalen Leben nicht tun könne. Die Pandemie habe dabei beschleunigend gewirkt. Daher denke er, dass VR auch künftig für Musiker noch interessanter werde.
Cacciuttolo sagte, Jarre habe immer viele Dinge und neueste Technologien erkundet. Was denke er über die Zukunft, nachdem er dieses Konzept umgesetzt habe. Jean-Michel antwortete, dass es das erste Live-VR-Konzert gewesen sei, das nun sogar auf Vinyl veröffentlicht werde. Damit sei es ein gutes Beispiel für ein tatsächliches Multimedia-Projekt: Etwas in VR, Sozialen Medien, Fernsehen und dann als BluRay, CD und Vinyl zu veröffentlichen. Sehr wichtig sei für ihn auch die binaurale Version, die ein „eintauchen“ in den Klang ermögliche. Wichtig sei für einen Musiker der Klang. Die binaurale Version sei speziell für das Projekt abgemischt worden. Das Ergebnis sei recht spektakulär und ganz anders als in Stereo, das es in der Natur ja gar nicht gebe. Alle natürlichen Klänge seien Mono: Vogelgesang, menschliche Unterhaltungen, vorbeifahrende Autos. Was für die räumliche Wahrnehmung sorge, sei die Luft um uns herum und unsere Ohren. Mit der binauralen Version gehe man praktisch zurück dazu, Klänge auf natürliche Art und Weise zu hören. Eigentlich sei dies nichts Neues, sondern eine Rückkehr zu den Wurzeln. Es sei aber ein Fehler, wenn man nun z.B. alte Frank Sinatra- oder Beatles-Aufnahmen binaural abmischen würde, da diese Musik niemals dafür gedacht gewesen sei. Daher sei nun der nächste Schritt für Künstler, Musiker und Produzenten, speziell für diese neue „Sprache“ zu schreiben. Es gehe nicht darum, existierende Musik neu abzumischen, sondern die Musik speziell für diese Hörerfahrung zu komponieren.
George Lucas habe einmal gesagt, dass der Sound 50% eines Films ausmache, sagte Cacciuttolo. Für VR gelte das in noch viel stärkerem Maße. Das Blickfeld des Menschen betrage 140°, aber die Ohren würden 360° hören. Daher sei der Klang für eine VR-Welt sehr wichtig.

Abschließend konnten noch ein paar Zuschauer Fragen stellen. Die erste Frage war, weshalb es denn keine BluRay im VR-Modus gebe, so dass der Zuschauer das Konzert eben auch in der virtuellen Welt erleben könne. Cacciuttolo antwortete, dass die VR-Welt eigentlich nicht zum Anschauen gedacht sei, sondern zum Mitmachen, in der VR-Welt herumzulaufen, mit anderen Leuten zu sprechen. Es sei ein soziales Virtual Reality-Event. Das bedeute, man könne Leute treffen, mit ihnen reden und gemeinsam das Konzert anschauen. Das war das, was Jean-Michel wirklich wollte, damit die Leute dieses Erlebnis teilen können. Dafür brauche man ein Headset. Das Ganze sei daher nicht kompatibel mit der BluRay-Technik. Der Fragende meinte, dass er die PlayStation seines Sohnes im VR-Modus nehmen könnte. Das sei prinzipiell möglich, sagte Cacciuttolo. Jean-Michel habe auch so etwas im Kopf gehabt und man könne darüber diskutieren. Aber generell sei es erst einmal um ein Live-Event gegangen, das man auf diesem Weg nicht wiedergeben könne. Der VRrOOm-Chef hatte auch eine VR-Brille im Gepäck und sagte, die Zuschauer könnten im Anschluss an die Veranstaltung gerne einmal damit in die virtuelle Welt eintauchen.
Jean-Michel ergänzte, dass man über eine App nachdenke, die es ermögliche, eine vorab aufgezeichnete VR-Erfahrung zu erleben. Prinzipiell sei dies möglich, denn das Silvester-Konzert sei aufgezeichnet worden und könne grundsätzlich nochmals besucht werden.

Der nächste Fragesteller sagte, dass für ihn nichts einen guten Surround-Sound ersetzen könne. Daher sei er vom derzeitigen binauralen Sound eher enttäuscht. Er wollte wissen, ob Jean-Michel denke, dass binaural irgendwann einmal dorthin gelangen könne, guten Surround-Sound zu bieten. Jean-Michel antwortete, dass es ihm da genauso gehe. Dennoch sei die binaurale Version von WTTOS etwas Besonderes. Binaurale Aufnahmen seien zu Beginn für akustische Instrumente gedacht gewesen. Die Idee sei, die Nachbildung eines menschlichen Kopfes mit genau dem Durchmesser des menschlichen Gesichts zu nehmen und in die Kunststoffohren Mikrofone einzusetzen [im deutschen auch als „Kunstkopf-Aufnahmen“ bekannt, die Red.]. So erhalte man dann bei Aufnahmen, z.B. eines Orchesters einen übernatürlichen Klang. Bei elektronischer Musik nutze man aber natürlich keine Mikrofone. Also würden Elemente der Musik per Software an verschiedenen Stellen im Klangraum platziert. Um nun speziell dafür zu komponieren, müsse man nicht nur links und rechts, sondern auch die vertikale Achse, also oben und unten, berücksichtigen. Solange dies nicht geschehe, sei das Ergebnis eher enttäuschend. Aber er werde sein Bestes tun, eine überzeugende binaurale Version zu produzieren und er arbeite daran, dies weiter voranzutreiben.

Die letzte Frage war, ob es möglich sei, VR-Elemente in künftige Live-Auftritte einzubeziehen. Auch dies sei der nächste Schritt für ihn, sagte Jean-Michel. Er wolle physische und virtuelle Welt vermischen, so dass er physisch auf der Bühne stehe und Leute, die nicht in der Halle anwesend seien, dennoch das Konzert per VR erleben könnten. Daran arbeite man derzeit, also ein Live-Konzert und ein Live-Stream parallel.

Anschließend signierte Jean-Michel eine der Leinwände mit dem Covermotiv, die dann unter den anwesenden Gewinnspielteilnehmern verlost wurde. Jean-Michel verabschiedete sich danach, da er noch weitere Interviews geben musste.

Das Screening der BluRay auf einer großen Kinoleinwand mit einem Klang, der den Kinosaal zum Vibrieren brachte, war dann ziemlich eindrucksvoll. Im Anschluss hatten die Besucher noch die Möglichkeit, per VR-Brille in virtuelle Welten abzutauchen. Allerdings sorgte die ganz reale WLAN-Verbindung am Ende dafür, das das Ganze leider nicht mehr funktionierte.

Am Abend wohnte Jean-Michel noch der Eröffnung einer Ausstellung mit Zeichnungen des verstorbenen Bühnendesigners Mark Fisher bei, der auch für seine Konzerte zahlreiche Bühnenkonstruktionen entworfen hatte, u.a. für die China-Konzerte 1982 und die Docklands-Konzerte. Jean-Michel erzählte von seiner Zusammenarbeit mit Fisher und einige Anekdoten rund um die Konzerte. Zu sehen sind in der Ausstellung, die noch bis Januar im Berliner Museum für Architekturzeichnung gezeigt wird, auch einige Entwürfe für Jarre-Konzerte, die nie stattgefunden haben, so z.B. am Buckingham-Palast oder in Tokio.

Einen Bericht, inklusive einem kurzen Video von Jean-Michels Rede, gibt es hier.
Und hier noch eine passende Bildergalerie dazu.
Hier noch ein Artikel über die Ausstellung in der NZZ.
Eine Besprechung von WTTOS gibt es hier.

UPDATE 14.09.: "Galore" verlost 5x WTTOS

Die Zeitschrift "Galore" verlost auf ihrer Website fünf Exemplare des WTTOS-Sets aus CD und BluRay. Für die Teilnahme müssen Online-Formular nur Vorname, Name und E-Mail-Adresse angegeben werden. Einsendeschluss ist der 23.09.2021, 12 Uhr. Viel Glück!

Zurück

Einen Kommentar schreiben

Was ist die Summe aus 2 und 6?

Kommentar von Heike |

Vielen Dank für den Bericht. Es war schön euch und Jean Michel mal wieder zu treffen. Es war mich leider entgangen, dass es danach doch noch Bilder mit JM gab. Ich war wohl zu sehr darauf bedacht das große Geschenk heil nach Hause zu bekommen ;) (Vielen Dank noch mal an die Mitarbeiter von Sony, die es so gut einpackten, dass es sogar noch einen Regenguss heil überstand)

Ein Bisschen habe ich mich jedoch über mich selber geärgert, denn ich war davon ausgegangen, dass man quasi aus erster Hand anlässlich des Events die WTTOS vom Meister signiert dort im Foyer kaufen könnte. Ich ärgere mich deshalb, weil es nur ein paar Meter weiter "Saturn" gibt. Zeit war genug ! Mit einem kurzen Sprint hätte ich das Werk kaufen, und vermutlich sogar signieren lassen können. Aber so reich beschenkt, sollte ich nicht weiter hadern , und einen kurzen privaten Moment hatte ich mit ihm ja doch noch.
Es wundert mich auch, dass so viele Gewinner nicht gekommen waren. Ich hatte ja zwei Zusagen, wobei eine im Spamordner lag. Ein Fan schrieb mich an, der für einen Freund eine Einladung haben wollte. Ich weiß nicht, ob er dabei war. Wäre natürlich schade, wenn es nicht geklappt hat, obwohl noch Kapazitäten zur Verfügung standen.

Nun bin ich vermutlich die Einzige, die WTTOS noch nicht zu Hause hat. Ich wollte gestern online bestellen , mir fiel jedoch auf, dass es anscheinend zwei Varianten gibt, also 4 insgesamt. Eine CD/BR- Variante kostet 21,99 €, die andere 35,99 €. Ebenso bei der Vinyl-Version ( 23,99 € / 40,99€ ) Beim selben Anbieter ! Wo liegt der Unterschied ? In der Beschreibung habe ich keinen entdecken können. Vielleicht weiß das jemand von euch ?

Kommentar von Jarre-Fan |

Mark Fisher - Gezeichnete Show: Jean-Michel Jarre im Museum

https://www.laut.de/News/M.-Fisher-Gezeichnete-Show-Jean-Michel-Jarre-im-Museum-13-09-2021-18208

Kommentar von Luis |

Danke für den schönen Bericht! Diese Entwürfe für Konzerte in Tokio und London klingen wirklich sehr interessant, das hätte ich gerne gesehen. Gerade Überlegungen für Tokio klingen toll, das hätte spannend werden können! Schade, dass es nie dazu kam.

Kommentar von Marcus Ohlrogge |

Hallo,
es war für mich ein außergewöhnliches Event. Ich habe im Vorwege nicht mit so einer kleinen Veranstaltung gerechnet. Es war sehr ehrenhaft, in so einer familiären Atmosphäre so nahe diesem Weltmusiker beizuwohnen.
Die Krönung war dann nach dem Screening das Zusammensein in einer kleinen Runde, bei dem uns Louis die VR Version noch per VR Set zeigen konnte.
Und da JM Jarre noch im Kino anwesend war, kam es auch noch zu unvergesslichen gemeinsamen Fotos.
Viele Grüße an das JARRELOOK Team von MARCUS aus Ottersberg ( nähe Bremen ).